Glasfaser ist nicht gleich Glasfaser: Schnelles Internet nachhaltig und effektiv realisieren
Der Glasfaser Ausbau ist einer der zentralen Bedingungen für den digitalen Fortschritt. Spätestens seit Home-Schooling, Streaming-Rekorden und Treffen in Teams-Meetings bzw. künftig im Metaverse, wissen wir um die Notwendigkeit schneller Internet-Infrastruktur. Um dabei die richtige Wahl zu treffen und auf die richtige Technologie zu setzen braucht es ein technisches Grundverständnis. Das holen wir uns bei Georg Brandt, CTO der ANEDiS GmbH
Für schnelles Internet ist eine Glasfaseranbindung das Nonplusultra. Sind alle heutigen Technologien bezüglich Nachhaltigkeit vergleichbar?
Georg Brandt: Es gibt zwei wesentliche Architekturen für Glasfasernetze ‒ zum einen PON (Passive Optical Network) und das Gegenstück Punkt-zu-Punkt Active Ethernet. Die Architektur der Punkt-zu-Punkt-Netze erfordert für jeden Kunden einen dedizierten optischen Link, wohingegen PON-Netze über eine Punkt-zu-Multipunkt-Architektur mehrere Kunden bedienen. Für PON-Netze ist der aktuelle Standard XGS-PON mit 10 Gbps synchron, dabei werden typischerweise 64 Kunden mit schnellem Internet versorgt. Dies bedeutet, dass nur ein Bruchteil an Platz und Strom im Vergleich zu Punkt-zu-Punkt benötigt wird. Mit 10 Gbps Bandbreite ist dieses Protokoll zukunftssicher und ermöglicht schnelles Internet auf Jahre hinaus, ohne dass eine größere Modernisierung benötigt wird.
Die Endkunden und Mieter möchten eine flexible Auswahl des Lieferanten, wie beispielsweise bei Stromtarifen. Muss hierzu jeder Anbieter ein eigenes Glasfaserkabel verlegen?
Georg Brandt: Auch wenn es in Einzelfällen zum Überbau durch unterschiedliche Infrastrukturanbieter kommt, ist das normalerweise nicht erforderlich. Ein guter Vergleich ist hierbei der Strommarkt: der Hausanschluss wird in der Regel von einem regionalen Infrastrukturanbieter erstellt, sodass der Kunde den Dienst bei diversen überregionalen oder dem regionalen Anbieter buchen kann. In Glasfasernetzen kann man das auf ähnliche Weise realisieren, dieses Vorgehen wird auch „Layer 2 Open Access“ genannt. Hierbei wird den Serviceanbietern das lokale Netz bis zum Endkunden von einem Infrastrukturanbieter zur offenen Nutzung angeboten. Der Open-Access-Anbieter betreibt somit einen Teil der aktiven Netzanbindung inklusive des aktiven Netzabschlusses beim Endkunden. Dieser kann wiederum auf dem Open-Access-Netz den Serviceanbieter seiner Wahl buchen. Dieses Modell ist insbesondere in den skandinavischen Ländern sehr erfolgreich und hat dort stark zum flächendeckenden Ausbau mit Glasfaser beigetragen. Das Open-Access-Modell ist sowohl für die Wohnungswirtschaft als auch für die Endkunden ein attraktives Modell, welches einen schnellen Ausbau mit moderner Infrastruktur ermöglicht, ohne dabei langfristig auf einen Monopolisten angewiesen zu sein. Der Wettbewerb der Serviceanbieter gewährleistet hohe Innovationskraft sowie faire Preise und ist das Gegenteil eines regulierten Marktumfeldes. In Berlin errichtet beispielsweise der Netzbetreiber Vattenfall Eurofiber ein Open-Access-Netzwerk auf Basis der XGS-PON-Lösung von Calix, um Wohnungswirtschaft und Privatkunden mit schnellem Internet zu versorgen.
Was sind Alternativen, wenn das Verlegen von Glasfaser im Gebäude nicht möglich ist?
Georg Brandt: Glasfasernetze bis zum Endkunden sind mittlerweile für alle Anbieter das Ziel, jedoch ist es noch ein langer Weg bis zum landesweiten Ausbau mit FTTH. Große Hürden hierbei sind zum einen Ressourcen in den Baukapazitäten, zum anderen mangelnde oder erschwerte Ausbaumöglichkeiten der Hausverkabelung in Bestandsobjekten. Eine ideale Ergänzung zu XGS-PON ist die „Fiber-to-the-Building“-Technologie (FTTB) auf Basis von G.fast DSL. G.fast kann auf der vorhanden Telefonverdrahtung sowie auf Koaxialnetzen betrieben werden. Diese Technik ermöglicht Bandbreiten von ca. 1 Gbps bis zu 50 Meter Kupferkabel pro Kunde. Solche Geschwindigkeiten waren bis vor Kurzem nur mit Glasfaseranbindungen möglich. Hierbei wird im Keller des Objektes eine sogenannte DPU (Distribution Point Unit) installiert, welche mit XGS-PON und somit 10 Gbps an das Glasfasernetz angebunden wird. Modernisiert man das Objekt in der Zukunft mit einem Glasfaser-Hausnetz, kann man die DPU relativ einfach gegen einen Glasfaser-Splitter tauschen.
Erfolgt die Stromversorgung der DPU (im zuvor genannten Vattenfall-Eurofiber-Projekt ein Gerät von Casa Systems) über Fernspeisung, kann die Montage entsprechend des Ortes auf die Anforderungen für das passive Netz ausgerichtet werden, ohne die Notwendigkeit einer lokalen Stromversorgung.
Was muss beim Verlegen von Glasfaser in der Wohnung beachtet werden?
Georg Brandt: Im Gegensatz zu Kupfernetzen, wie z. B. Koaxialnetzen oder Telefonleitungen, sind Glasfaserverbindungen robust und weniger empfindlich gegen Einstrahlungen. Jedoch sind beim Verlegen der Glasfaser Biegeradien einzuhalten und die Stecker sind sehr empfindlich gegen Verschmutzungen.
In einer idealen Wohnungsverkabelung sind die Glasfaserstecker deshalb nicht offen zugänglich und sollten in einer FTU (Fiber Termination Unit) geschützt werden. Um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, sollte der aktive Netzabschluss direkt auf die FTU aufsetzen. Der Netzabschluss und das WLAN-Gateway sollten mit zwei getrennten Geräten realisiert werden, da WLAN sehr kurze Innovationszyklen hat, während ein XGS-PON-Netzabschluss auch über Jahre hinweg noch ausreichend Bandbreite bietet.
Kann man mit WLAN eine CAT-Verkabelung in der Wohnung ersetzen?
Georg Brandt: In heutigen Heimnetzen ist WLAN der dominierende Anschluss der Endgeräte des Kunden. Häufig sind 20 oder mehr Geräte über WLAN angeschaltet, während nur noch wenige Geräte den LAN-Anschluss nutzen. Mit einem einzelnen WLAN-Router kann man jedoch häufig nicht den gesamten Wohnbereich abdecken. In diesem Fall ist die beste Lösung für eine gute WLAN-Versorgung der Aufbau eines Mesh-WLAN über strukturierte Verkabelung. Für eine gute „Customer Experience“ über WLAN kann also eine vorhandene CAT-Verkabelung ein wesentlicher Faktor sein.
Georg Brandt | CTO Anedis GmbH
Alexander-Meißner-Straße 24-28
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Dieses Interview erschien zusätzlich auf ghezzo.at